Gedanken der Stiftsvorsteherin zur Jahreslosung 2024

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“

Stiftsvorsteherin Anne Hanhörster
Stiftsvorsteherin Anne Hanhörster   |  © Manuel Tennert

„Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig und stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ 
1. Korinther 16,13-14 

Wirklich alles, Paulus? Auch Putzen? Das erledige ich lieber mit beschwingter Musik. Liebe kommt bei mir dabei so gar nicht auf. Höchstens wenn die Wohnung nachher glänzt. Aber ich kenne jemanden im Reinigungsdienst, der seine Arbeit mit Liebe macht. Das sieht und hört man, denn er singt und pfeift beim Reinigen. 

Ein Motto meiner Mutter war, dass Essen nur schmeckt, wenn es mit Liebe gekocht ist. Über 40 Jahre hat sie köstlich gekocht. Im fortgeschrittenen Alter hat sie die Liebe am Kochen verloren und einfach aufgehört. Sie wollte keine Mahlzeiten ohne Liebe auf den Tisch bringen. 

Ach – das wäre doch eine perfekte Welt, wenn jede*r nur das tun müsste, was er oder sie liebt, also richtig gerne macht. Die eine repariert Fahrräder, der andere näht, die nächste hält die inspiriertesten Vorträge und Klaus malt so wunderschön… 

Nichts tun ohne Liebe – ein Traum 

Wenn man genauer den Wortlaut in der Jahreslosung liest, heißt es aber gar nicht, dass ich mit Liebe etwas tun soll, sondern dass „es in der Liebe geschehen soll“ oder in einer anderen Übersetzung „dass es von der Liebe bestimmt sei“. Und da die Worte aus der Feder des großartigen Apostels Paulus stammen, kann er damit nur Gottes Liebe meinen. 

Und die wünscht sich Paulus aus gutem Grund für die Gemeinde der ersten Christen im griechischen Korinth. Da wird zwar viel von der Liebe Gottes gepredigt, aber im alltäglichen Umgang der frisch Getauften geht es eher gottfern zu: es gibt handfeste Streitigkeiten. Die Reichen wollen nichts mit den Armen zu tun haben. Einige Leute meinen, Gott näher zu stehen als andere und heben so stark ab, dass sie den konkreten Dienst an ihren Nächsten vergessen. Sogar beim Abendmahl soll es Streitigkeiten und Unterschiede geben. 

Paulus regt das auf. Darum schreibt er seinen Schwestern und Brüdern einen langen, ausführlichen Brief nach Korinth. Erst ganz am Schluss, nach vielen Kapiteln zu den genannten Problemen, setzt er in die Grußformel seinen Spitzensatz. Und fasst darin die ideale Haltung von Christenmenschen in nur sieben Worten zusammen: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ 

Wer dabei an rote Rosen, Herzklopfen oder den nahenden Valentinstag denkt, liegt falsch. Es geht Paulus nicht um die romantische Liebe zwischen zwei Menschen. Liebe ist im Denken der Bibel weniger ein Gefühl als vielmehr eine Grundhaltung, die mich dazu bringt, meinen Mitgeschöpfen und der Welt mit Respekt und Fairness zu begegnen. Gottes Liebe ist wie unendlich weit geöffnete Arme, in die alle hineinpassen. Gottes Liebe umhüllt uns wie eine warme Decke, sie gibt uns Kraft, Ausdauer und Kreativität, die Dinge anzupacken. 

Das weitet den Horizont und entlastet sowohl die Köchin als auch die Reinigungskraft. Mit Gottes Liebe kann man auch mal was liegen lassen, wenn es grade an Liebe fehlt. Weil Gottes Liebe nicht vergisst und dafür sorgt, dass es doch irgendwie durch irgendwen doch geschieht. 

Die Welt braucht viele Menschen, die das, was sie tun, denken und wählen, in Liebe geschehen lassen. Damit die Menschheit wieder zur Ruhe und Mitmenschlichkeit findet, die Waffen endlich schweigen und die Natur sich regenerieren kann. 

Pfarrerin Anne Hanhörster 
Stiftsvorsteherin